Irgendwas Positives

„Das einzig Gute an Brüssel ist, dass man relativ günstig von dort wegkommt“, sagte ich regelmäßig während meines Auslandssemesters dort. Und das stimmt auch. Also zumindest der Teil mit dem billigen Reisen. Man kann von Brüssel aus für quasi kein Geld nach fast ganz Europa fliegen. Und zum anderen Teil meiner Aussage: Jetzt reicht’s aber mit dem Brüssel-Mobbing! Es gibt jede Menge Gutes in Brüssel. Waffeln zum Beispiel. Und Pommes. Und liebenswerte Menschen aus der ganzen Welt.

 

 

Ich kenne ganz ehrlich keine zweite Stadt mit einer solchen Vielfalt an Nationalitäten. Wenn ich einen typischen Brüssel-Bewohner beschreiben müsste, wäre ich ernsthaft nicht dazu in der Lage. Aufgrund der Tatsache, dass die U-Bahn grundsätzlich überfüllt ist, habe ich dort tagtäglich hunderte von Menschen gesehen. Menschen aller Hautfarben, Menschen, die alle möglichen Sprachen gesprochen haben, von denen ich einige nicht mal zuordnen konnte. Und ich muss sagen: Das ist wunderbar! Das gibt einem das Gefühl, zu Hause zu sein, obwohl sein Heimatland hunderte Kilometer entfernt ist. Während meiner 18 Wochen in Brüssel hatte ich kein einziges Mal den Eindruck, dort nicht hinzugehören.

 

Brüssel macht vielleicht nicht besonders viel Sinn, aber genau deshalb ist es die perfekte Stadt für Reisende. Es gibt keinen Durchschnittsbürger, mit dem man verglichen wird, kein Muster, dem man folgen, keine vorherrschende Kultur, der man sich anpassen sollte. Die Stadt ist einfach geprägt von reiner Willkür, die es nicht einfach, sondern schlichtweg überflüssig macht, ins Bild zu passen. Es ist tatsächlich egal, woher man kommt oder warum um alles in der Welt es einen hierher verschlagen hat. Brüssel heißt einen einfach willkommen, ohne Fragen zu stellen.

 

Brüssel ist eine Stadt, in der Kinder in der U-Bahn eine französische Zeitung lesen, während sie sich auf Niederländisch mit ihrer Mutter und auf Englisch mit ihrem Vater unterhalten. So etwas mitzuerleben, hat mich immer wieder mit Staunen und auch ein bisschen Freude gefüllt. Es ist eine Stadt, in der es normal ist, drei Sprachen zu sprechen – selbstverständlich fließend. Und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Mehrsprachigkeit den Horizont einer Person erweitert wie nichts sonst.

 

 

Brüssel ist eine Stadt der Begegnungen. Es ist der Ort, an dem niederländische Gemütlichkeit auf französischen Chic trifft, wo europäische Politik zahlreichen Non-Profit-Organisationen gegenüber steht, wo internationales Geschäftsleben und lokale Gastfreundlichkeit nebeneinander existieren. Und all das scheint irgendwie in Frieden und Harmonie zu erfolgen. (Naja, abgesehen von gelegentlichen Terror-Drohungen oder Attentaten zumindest, aber das ist eine andere Geschichte).

 

Brüssel ist eine Stadt, in der die U-Bahn zu Stoßzeiten so voll ist, dass es schlicht und einfach unmöglich ist, einzusteigen. Warum ich das erwähne, wenn ich wirklich versuche, das Gute zu sehen? Weil sich niemand darüber beschwert. Niemand ist einem böse, wenn man ihm unabsichtlich auf die Zehen tritt (was mir zugegebenerweise regelmäßig passiert ist). Die Leute lächeln einen einfach an. Einfach so. Wildfremde Menschen. In einer U-Bahn, aus der man bezweifelt, jemals wieder lebend rauszukommen. (Wobei man das heutzutage ja irgendwie immer tut. Tut mir leid, schon wieder die positiven Vibes zerstört.) Also wo war ich? Ach ja, lächelnde Menschen. Die leben in einer Stadt, in der es 200 Tage im Jahr regnet (nur so zur Info: in London sind’s „nur“ 145) und lächeln. Ganz ehrlich, das fasziniert mich. Ich glaube nicht, es jemals miterlebt zu haben, dass ein Belgier sich über irgendetwas beschwert. Und für mich als sogar für österreichische Verhältnisse überdurchschnittlich gern nörgelnde Person ist das eine Eigenschaft, die aufrichtige Bewunderung verdient.

 

Brüssel ist eine Stadt, in der in der U-Bahn Musik läuft. Also zumindest gelegentlich. Aber ganz ehrlich: Was zaubert einem ein Lächeln ins Gesicht, wenn nicht völlig unvorhergesehen „Good Vibrations“ von den Beach Boys aus den U-Bahn-Boxen dröhnen zu hören?

 

Brüssel ist eine Stadt, in der es in Ordnung ist, verwirrt zu sein. Weil es jeder dort ist. Weil es quasi unmöglich ist, es nicht zu sein. Und es ist in Ordnung, zu spät zu kommen. Weil jeder weiß, dass in der U-Bahn (und eigentlich auch überall sonst) pures Chaos herrscht. Aber das ist okay so. Das schafft irgendwie eine entspannte Atmosphäre. Es erlaubt einem, seinen Terminkalender auch mal zu vergessen und verdammt noch mal ein bisschen runterzukommen.
Nein, es gibt tatsächlich jede Menge Wunderbares in Brüssel. Man muss nur sehr verzweifelt danach suchen.

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