Mir reicht, dass ich weiß, dass ich könnte, wenn ich wollte.

„Mir reicht, dass ich weiß, dass ich könnte, wenn ich wollte.“ Mir und 37.713 weiteren Personen gefällt das. Und so ein Like ist doch immer auch irgendwie Zustimmung, Identifikation – zumindest unbewusst.

 

„Mir reicht, dass ich weiß, dass ich könnte, wenn ich wollte“ lese ich jeden Tag mehrmals, wenn ich so durch den Facebook-Newsfeed scrolle. Und gelegentlich erwische ich mich dabei, wie ich diesen Satz von der virtuellen Welt in die reale übertrage und in meinem Alltag zu etablieren versuche. „Wunderschönes Wetter heute. Ich könnte doch glatt eine Runde laufen gehen“, denke ich mir dann. Aber mir reicht ja, dass ich weiß, dass ich könnte, wenn ich wollte. Nur will ich halt nicht, schon klar.

 

Was eine humorvolle, mit einem Zwinkersmiley versehene, nicht ganz ernst gemeinte Äußerung zu sein scheint, wird nach und nach zu einer Lebenseinstellung. Ich könnte neben dem Studium arbeiten, aber ich will ja in Mindeststudienzeit fertig werden. Ich könnte schon in Mindeststudienzeit studieren, aber ich will ja auch noch ein Leben haben. Ich könnte ein Auslandssemester machen, aber jetzt hab‘ ich mir doch grade erst meine Wohnung so schön eingerichtet. Da bleib‘ ich doch lieber hier, sitze den ganzen Tag auf der farblich zu den Vorhängen passenden Couch mit den farblich zu den Socken passenden Pölstern und überlege mir, was ich nicht alles könnte, wenn ich wollte. Denn das reicht mir ja.

 

 

Und wenn ich es mir nur lange genug einrede, glaube ich es vielleicht auch irgendwann und blende im besten Fall vollständig aus, dass ich in Wahrheit nur meine Zeit und meine Ressourcen vergeude – mit Träumen, die ich nie in die Tat umsetzen werde und Freunden, die ich nie um einen Rat bitten werde, weil nichts davon echt ist. Aber vielleicht entkomme ich so auch mancher Enttäuschung, weil ich nichts riskieren, versuchen oder wagen muss. Denn solange mir reicht, dass ich weiß, dass ich könnte, wenn ich wollte, muss ich nichts tun. Und solange ich nichts tue, kann ich auch nicht scheitern. Quasi. Ist doch schön. Eine dieser erstrebenswerten Win-Win-Situationen sozusagen.

 

Aber vielleicht könnte ich ja gar nicht, wenn ich wollte – wer weiß? Vielleicht schätze ich mich und meine vermeintlichen Fähigkeiten völlig falsch ein und rede mir auch das nur ein, um meinen Stolz zu bewahren. Bevor ich mir selbst eingestehe oder gar vor jemand anderem zugebe, etwas nicht zu können, sage ich lieber, dass ich es gar nicht machen will. Immerhin kann ich ja alles. Oder ich könnte es zumindest. Wenn ich doch nur wollte.

 

Ist aber eine schöne Couch, die ich da habe. Und gemütlich obendrein. Ich könnte also auch einfach hier sitzenbleiben. Und ich glaube, das will ich auch.

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