Ich mein’ ja nur: Ernährung

Essen. Es ist eigentlich einer der einfachsten und natürlichsten Bereiche unseres Lebens. Oder zumindest war es das. Bis es zu einem der kompliziertesten und stressigsten wurde.

 

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der gutes Essen immer zelebriert und in großen Mengen verzehrt wurde. Aufgrund der Tatsache, dass „gut“ bei uns mit gesund, bio und selbstgemacht gleichgesetzt wurde, war es auch nie ein Problem, dass wir überdurchschnittlich viel aßen. Demensprechend habe ich mir nie großartig Gedanken über Ernährung gemacht. Ich habe einfach gegessen, was da war und so viel ich wollte. Gelegentlich (und heimlich) habe ich Fast Food und Süßigkeiten gegessen. Ich war Vegetarierin, weil ich die Konsistenz von Fleisch nicht mochte, und habe Milchprodukte vermieden, weil ich laktose-intolerant war. Alles in allem würde ich sagen, dass meine Ernährungsweise ziemlich ausgeglichen und simpel war.

 

Dann, dank meiner Schulbildung, habe ich begonnen, mich für Ernährungslehre zu interessieren. Und ich glaube, damit hat die Misere begonnen. Weil Essen plötzlich nicht mehr einer der einfachsten und natürlichsten Bereiche meines Lebens war. Es wurde zu etwas, über das man nachdenken, das man sogar studieren kann. Und über die Jahre, in denen mein Wissen und meine Entscheidungsfreiheit wuchsen, wurde es zu einem der kompliziertesten und stressigsten Bereiche. Plötzlich waren die Kohlenhydrate, die zwei Jahrzehnte lang den Großteil meiner Ernährung ausgemacht hatten, tunlichst zu vermeiden. Plötzlich waren die Milchprodukte, die ich bisher kaum gegessen hatte, eine unverzichtbare Quelle für das hochgepriesene Eiweiß. Plötzlich war ich mit dem „Clean Eating“-Virus infiziert, der sich in verschiedensten Ausprägungen über das Internet verbreitet hatte und der mich dazu veranlasste, unzählige Stunden in der Küche zu verbringen, um mein Essen für den nächsten Tag vorzubereiten, zu bewerten und abzuwiegen.

 

Ich sage ja nicht, dass das ausnahmslos schlecht ist. Ich bin davon überzeugt, dass Bewusstsein und Behutsamkeit in Bezug auf seine Ernährung einer der Schlüssel zu einem gesunden und glücklichen Leben ist. Dementsprechend habe ich diese Entwicklung zum selbsternannten Ernährungsguru nicht nur zugelassen, sondern auch willkommen geheißen. Ich hatte es immer schon genossen, Essen zuzubereiten und zu genießen. Also warum sollte ich nicht die Zeit und Energie darin investieren, die ein Hobby verdient?

 

 

So weit, so gut. Das Problem ist, dass ein Hobby, das mit einer gewissen Leidenschaft verfolgt wird, schnell zu einem Wahn werden kann. Und das ist – zumindest im Fall von Essen – ein ernsthaftes Problem. Wenn sich plötzlich alles nur mehr darum dreht, wann, was und wie gegessen werden soll, wenn Bewusstsein und Behutsamkeit zu Zwang und Stress werden, verwandelt sich der womögliche Schlüssel zu einem gesunden und glücklichen Leben in ein Schloss, das das einschließt, was es eigentlich freisetzen sollte.

 

Es geht also wie immer um die Balance. Das wurde mir bewusst, aber es fiel mir dennoch enorm schwer, diese auch zu finden. Es gibt zu viele verschiedene Ernährungsweisen, zu viele unterschiedliche Theorien, zu viele „Experten“, die einem erklären, was gut für einen ist und was nicht.

 

Erst, als ich die Geschichte über die Verbreitung von Spiegelei mit Speck als das Frühstücksgericht in Amerika hörte, wurde mir klar: Es ist alles Schwachsinn. Wenn eine gesamte Frühstückskultur verändert werden kann, nur um mehr Speck zu verkaufen, woher kommt dann wohl dieser ganze Eiweiß-Wahn auf einmal? Und wieso wird Milch – die vor ein paar Jahren noch so lebensnotwendig für unsere Knochen, Zähne und allgemeine Gesundheit erschien – mittlerweile nach und nach als für die menschliche Ernährung nicht notwendig angesehen?

 

Vielleicht sollten wir wirklich damit aufhören, uns so viele Gedanken zu machen und einfach wieder essen, was auch immer wir wollen. Das einzige Problem an diesem Ansatz ist: Wir wissen nicht mehr wirklich, was wir wollen. In dieser Flut aus „Wissenschaft“ und „Information“ haben wir die Fähigkeit verloren, auf den Einzigen zu hören, der es wirklich gut mit uns meint: Unser Körper.

 

Ernährung ist schon lange nicht mehr einer der einfachsten und natürlichsten Bereiche unseres Lebens. Es ist eine Industrie. Und in einer Industrie geht es niemals – zumindest nicht in erster Linie – darum, den Schlüssel zu Gesundheit und Glück anzubieten. Es geht darum, Geld zu verdienen. Und wenn das bedeutet, dass eine gesamte Nation davon überzeugt werden muss, dass der Schlüssel zu Gesundheit und Glück in einem haltbar gemachten Stück Fleisch voll gesättigten Fettsäuren, Konservierungsmitteln und Salz liegt, dann soll’s so sein.

 

 

Aber was will ich mit all dem sagen? Sollen wir jetzt alle wieder als Jäger und Sammler in Höhlen leben? Naja, vielleicht. Aber da ich der Meinung bin, dass es darum geht, die Balance zu finden, wäre das vielleicht doch ein wenig extrem. Was ich also sagen will, ist, dass wir vielleicht unsere Einstellung zu Essen überdenken sollten. Vielleicht brauchen wir gar niemanden, der uns darüber belehrt, weil wir darauf ausgelegt sind, zu wissen, was gut für uns ist. Vielleicht muss unsere Nahrung gar nicht um die halbe Welt geflogen, industriell verarbeitet und beworben werden, weil davon nicht unser Leben mit Gesundheit und Glück, sondern die Taschen der Industrie gefüllt werden. Vielleicht muss es gar nicht kompliziert und stressig sein, wenn wir uns für Lebensmittel entscheiden, die noch das sind, was sie sein sollten: Einfach und natürlich.

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