“Yoga Chitta Vritti Nirodah”
Chitta: Geist, Bewusstsein; Vritti: Wellen, Fluktuationen; Nirodhah: beruhigen, stillen
Vereinfacht gesagt heißt das: Yoga stabilisiert und beruhigt unseren Geist. Damit wird ganz zu Beginn von Patanjalis Yoga Sutras, den ältesten schriftlichen Aufzeichnungen über Yoga, das Ziel dieser Praxis auf den Punkt gebracht. Yoga hilft uns dabei, die Wellen, die in Form von Gedanken oder Gefühlen durch unseren Geist fließen, zur Ruhe zu bringen. Damit ist Yoga wohl eine der ältesten und am besten erprobten Techniken zum Mentaltraining.
Was ist Mentaltraining?
Mentaltraining lässt sich als Fitnessprogramm für den Geist beschreiben. So, wie wir uns beim körperlichen Training mit unserer Anatomie, unseren Bewegungsabläufen und unserer Ernährung beschäftigen, tun wir dasselbe im Mentaltraining auf geistiger Ebene:
- Wie funktionieren unser Gehirn und unser Verstand?
- Welche Gedankenmuster können wir beobachten & inwiefern unterstützen diese uns?
- Welche neuen „geistigen Bewegungen“ (Gedanken, Glaubenssätze, Überzeugungen,…) möchten wir uns antrainieren?
- Womit „füttern“ wir unseren Verstand?
Das sind einige der Fragen, mit denen wir uns im Mentaltraining beschäftigen. Dafür gibt es eine ganze Reihe an Tools und Techniken, die wir je nach aktuellem und gewünschtem Zustand einsetzen können. Wie wir anfangs schon erfahren haben, ist auch Yoga eines dieser Tools bzw. eine ganze Werkzeugkiste für sich, die uns bei gezieltem Einsatz wunderbar auf unserem Weg zu mentaler Stärke unterstützen kann.
Was ist Yoga?
Der Begriff Yoga leitet sich von dem Sanskrit Wort yui ab, das sich mit ‘verbinden’, ‘anschließen’, ‘beitreten’ übersetzen lässt. Yoga bedeutet daher so viel wie Einheit. Die Yoga-Praxis unterstützt uns, diese Einheit in und um uns wieder herzustellen. In erster Linie geht es darum, Körper, Geist und Seele (wieder) in Einklang zu bringen. Um diesen Ausgleich zu schaffen, finden wir im Yoga ein ganzheitliches System an konkreten und zugänglichen Tools, die sowohl für körperliche, als auch für mentale und emotionale Ausgeglichenheit sorgen.
Der wohl bekannteste und bei uns am häufigsten praktizierte Teil dieser Werkzeug-Sammlung sind die Körperübungen (Asanas), die einen wesentlichen Bestandteil der Yoga-Praxis bilden. Die Asanas unterstützen uns dabei, die körperlichen Grundvoraussetzungen für mentale Stärke zu schaffen. Sie helfen uns, Verspannungen zu lösen, sämtliche Körpervorgänge (Verdauung, Hormonhaushalt, Immunsystem, etc.) auszubalancieren und sowohl Leichtigkeit als auch Stabilität in unserem Körper zu finden. Obwohl sie sich auf den Körper beziehen, wirken die Asanas – so wie sämtliche Yoga-Praktiken – auf allen Ebenen: Durch das Lösen von Blockaden und Verspannungen im Körper werden diese auch in den Gedanken und Emotionen gelöst. “Jeder mentale Knoten hat einen entsprechenden Knoten im Körper, in den Muskeln. Das Ziel von Asana ist es, diese Knoten zu lösen. Asanas bauen mentale Spannungen ab, indem sie sich auf körperlicher Ebene mit ihnen auseinander setzen” (Saraswati, 2013, S. 11, frei übersetzt aus dem englischen Original).
Die Asanas werden durch den bewussten Umgang mit der Umgebung (Yama) und sich selbst (Niyama), Atemübungen (Pranayama), die Kontrolle der Sinne (Pratyahara), Konzentration (Dharana) und Meditation (Dhyana) ergänzt. Sämtliche dieser Praktiken wirken auf ganzheitlicher Ebene – d.h. sie beeinflussen sowohl unseren Körper als auch unseren Geist positiv.
Mentaltraining mit Yoga – gut für Körper & Geist
Dass der Yoga-Weg zur inneren Ruhe auch für körperliche Gesundheit sorgt, ist kein Zufall. Denn ein starker, gesunder, ausgeglichener Körper ist das ideale Zuhause für einen starken, gesunden, ausgeglichenen Geist. Umgekehrt sorgt auch ein ruhiger Geist, den wir im Yoga u.a. durch Atem- und Konzentrationsübungen sowie Meditation kultivieren, für einen gesunden Körper. Yoga wirkt also in beide Richtungen stabilisierend und gesundheitsfördernd.
Der Zusammenhang zwischen mental-emotionalen und körperlichen Vorgängen ist in der Welt des Yoga seit tausenden von Jahren bekannt. Nun findet dieser ganzheitliche Zugang nach und nach auch seinen Weg in unser westliches Gesundheitsverständnis, wie sich beispielsweise in Büchern wie Der Holistische Mensch – Wir sind mehr als die Summe unserer Organe von Professor Dr. Johannes Huber oder Wenn der Körper Nein sagt: Wie verborgener Stress krank macht – und was Sie dagegen tun können von Dr. Gabor Maté zeigt.
So hat sich auch das wissenschaftliche Interesse an Yoga von bisher hauptsächlich körperlichen Aspekten in den letzten Jahren immer mehr auf die positiven Auswirkungen der Yoga-Praxis auf die mentale Gesundheit erweitert. Mittlerweile gibt es sogar einige Therapie-Ansätze, die Elemente aus dem Yoga mit einbeziehen (z.B. Traumasensitives Yoga).
Die bisher wissenschaftlich erwiesenen geistig-mentalen Vorteile von Yoga sind u.a.:
- Stressreduktion & Entspannungsförderung,
- gesteigertes geistiges Wohlbefinden,
- erhöhte Resilienz,
- verbessertes Erinnerungs- & Lernvermögen,
- Prävention von altersbedingtem Gedächtnisschwund,
- Vorbeugung & Linderung psychischer Erkrankungen (insbesondere Depressionen, Angststörungen, ADHS & Schizophrenie),
- Unterstützung in der Behandlung von Traumata & posttraumatischer Belastungsstörung,
- Förderung der Verbindung & Zusammenarbeit von Körper & Geist,
- (Wieder-)Herstellung mentalen Gleichgewichtes,
- Reduktion psychosomatischer Symptome,
- verbesserte Stimmung & klares Denken,
- erfolgreiche Suchtprävention,
- Förderung des Aufbaus grauer Gehirnmasse (wesentlich in der Entscheidungsfindung sowie in der Ausweitung des Raumes zwischen Reiz und Reaktion),
- erhöhte Lebenszufriedenheit,
- gesteigerte Konzentration,
- Akzeptanz sich selbst & anderen gegenüber,
- verbesserte Emotionale Intelligenz,
- gesteigertes Selbstbewusstsein
- uvm…
Diese Vorteile gehen vor allem darauf zurück, dass bei der Yoga-Praxis die Ausschüttung von Stresshormonen verringert wird. Gleichzeitig wird die Produktion und Freisetzung stimmungshebender Substanzen angeregt, das parasympathische Nervensystem aktiviert sowie der auch als Selbstheilungsnerv bezeichnete Vagus-Nerv stimuliert. Die positiven mentalen Auswirkungen von Yoga haben also durchaus auch körperliche bzw. hormonelle Ursachen und sind mittlerweile vielfach wissenschaftlich belegt (siehe Quellenangaben am Ende des Beitrags).
Tipps für Yoga als Mentaltraining
Um diese vielen Vorteile der Yoga-Praxis für sich nutzen zu können, sind vor allem zwei Aspekte wichtig: Regelmäßigkeit und Achtsamkeit.
Das regelmäßige Üben erlaubt uns nicht nur, die gewünschten Wirkungen zu maximieren und auch langfristig genießen zu können. Die Regelmäßigkeit und Kontinuität ist es auch, die unserem Körper und Nervensystem die Zeit geben, sich an die Übungsabläufe zu gewöhnen. So können wir nach und nach ein Gefühl der Sicherheit erzeugen, das uns erlaubt, auch chronischen Stress und festsitzende Emotionen schrittweise zu lösen.
Das achtsame Beobachten sämtlicher Vorgänge während des Übens ist ein zentraler Bestandteil sämtlicher Yoga-Techniken. Erst wenn die Körperübungen mit Achtsamkeit kombiniert werden, können sie die volle Tiefe ihrer Wirkung entfalten. Dazu gehört die wertfreie Wahrnehmung der Körperempfindungen sowie der Gedanken und Emotionen, die in den einzelnen Positionen auftauchen. Die Matte dient als Spiegel, in dem man sich selbst beobachten und kennen lernen kann.
Ausbildung zum/zur Zert. Yoga-Mentaltrainer:in
Findest Du dieses Thema auch so spannend wie ich? Praktizierst Du Yoga und möchtest mehr über die mentalen Aspekte wissen? Oder beschäftigst Du Dich mit Mentaltraining und hast Interesse daran, Deine Toolbox zu erweitern? Vielleicht trifft sogar beides auf Dich zu oder Du bist durch diesen Beitrag einfach neugierig geworden.
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Alle Infos zum Kurs & zu den Ausbildungsinhalten findest Du hier. Bei Fragen melde Dich gerne via E-Mail bei mir.
Quellen & weiterführende Literatur:
Büssing, A., Michalsen, A., Khalsa, S. B. S., Telles, S., & Sherman, K. J. (2012). Effects of yoga on mental and physical health: a short summary of reviews. Evidence-based complementary and alternative medicine, 2012.
Bryant, E. F. (2015). The yoga sutras of Patanjali: A new edition, translation, and commentary. North Point Press.
Gangadhar, B. N., & Varambally, S. (2015). Integrating yoga in mental health services. The Indian Journal of Medical Research, 141(6), 747.
Huber, J. (2017). Der holistische Mensch: Wir sind mehr als die Summe unserer Organe. edition a.
Kumar, P. (2016). Effect of Yoga on Mental Health of Adolescents. International Journal of Science and Consciousness; 2(1): 6-12.
Maté, G. (2011). When the body says no: Understanding the stress-disease connection. John Wiley & Sons.
Telles, S., Singh, N., Yadav, A., & Balkrishna, A. (2012). Effect of yoga on different aspects of mental health. Indian J Physiol Pharmacol, 56(3), 245-54.
Saraswati, S. S. (2013). Asana Pranayama Mudra Bandha. Bihar, India: Yoga Publications Trust.
Sharma, T., Kumari, P., & Kumar, V. (2017). Yoga and mental health: a review. Journal of the Indian Academy of Applied Psychology, 43(1), 128.