Meine Binge-Eating-Reise: die Anfänge

Nach vielen Jahren habe ich kürzlich den Mut gefasst, endlich offen über meine persönliche Binge-Eating-Reise zu sprechen. Und ich war ehrlich erstaunt und tief berührt von all den Reaktionen. So viele Menschen haben mich entweder privat oder öffentlich kontaktiert, um mich zu ermutigen, mir zu danken oder mir von ihren eigenen Problemen zu erzählen. Deswegen habe ich entschieden, meine Erfahrungen auch weiterhin zu teilen. 

Gestörtes Essverhalten ist weit verbreitet – aber muss es das sein?

Ich denke, es ist wichtig zu wissen, dass wir nicht allein sind. Dass viel mehr Menschen unter einer schwierigen Beziehung mit ihrem Körper und Essen leiden, als uns bewusst ist. Und während es zunehmend „normal“ sein mag, unzufrieden mit unserem Aussehen zu sein, uns selbst auf Diät zu setzen und uns mit exzessiven Workouts zu quälen, ist das weder wünschenswert noch notwendig.

Hier erzähle ich einen weiteren Teil meiner Geschichte – wie mein Essverhalten aus den Fugen geriet und ich begann, mit Binge Eating zu kämpfen.

Wie ich zum Binge Eating kam

In Wahrheit begann alles noch viel früher, aber für den Moment möchte ich mich auf die Elemente konzentrieren, die am offensichtlichsten sind und für die ich selbst verantwortlich bin. Nach knapp zwei Jahren, in denen mir wirklich so ziemlich alles so ziemlich egal war, schaffte ich 2014 den Schritt zurück in einen „gesunden Lebensstil“. Der Übergang erfolgte Schritt für Schritt.

Wenn gesunde Gewohnheiten toxisch werden

Zuerst fing ich an, jeden Tag Sport zu treiben. So weit, so gut. Dann reduzierte ich meine Kohlenhydrataufnahme, weil ich überall las und hörte, sie wären „schlecht“ und würden „dich dick machen“ (Ich hatte mich bis dahin mein ganzes Leben lang auf Basis komplexer Kohlenhydrate ernährt und war super damit gefahren, aber in dem Moment dachte ich leider nicht so weit). Nachdem ich in dieser Zeit meistens unterwegs aß und meine Nahrungsaufnahme zunehmen kontrollieren wollte, begann ich mit Meal Prepping. Dann hörte ich vom Intervallfasten und reduzierte mein „Essfenster“ auf den Zeitraum zwischen 10 Uhr morgens und 6 Uhr abends. Ich fing an, mein Essen abzuwiegen und meine Kalorien zu zählen. Was dann natürlich zum nächsten Schritt führte: meine tägliche Kalorienzufuhr herunterzufahren.

Ehrlich gesagt lief alles richtig gut. Ich fühlte mich gesund, voller Energie und dachte, ich hätte alles unter Kontrolle. Gleichzeitig fühlte ich mich aber auch gestresst und meistens hungrig, fand aber – krank, wie ich zu diesem Zeitpunkt bereits war – Gefallen daran.

Die Leute in meinem Umfeld fingen an, mir zu sagen, wie sehr sie mich für meine Selbstdisziplin bewunderten. Sie machten mir Komplimente für meine „tolle Figur“ und fragten mich, wie ich das denn anstellte. Ich hatte allen Grund zu glauben, dass ich auf dem richtigen Weg war. 

Dann begann ich zu fasten. Einen Tag in der Woche nahm ich nichts zu mir außer Wasser, Tee oder schwarzen Kaffee. Von Zeit zu Zeit machte ich auch eine drei- bis fünftägige Saftkur – nach wie vor in dem Glauben, dass das gesund und sinnvoll war.

Modeworte für krankhaftes Verhalten

So kam es, dass ich unter dem Vorwand von trendigen Begriffen wie „Fasten“, „Detox“ oder „Cleanse“ manchmal über Tage oder Wochen hinweg keine feste Nahrung zu mir nahm. Versteht mich bitte nicht falsch: Ich glaube absolut, dass all diese Praktiken extrem positiv für den Körper sein können – vorausgesetzt, sie werden mit der richtigen Motivation und unter professioneller Anleitung ausgeführt. Beides war bei mir nicht der Fall. Ich benutzte sie nur als Vorwand, nichts zu essen.

Wie abzusehen war, begannen knapp ein Jahr später die ersten Fressattacken („Binges). An manchen Tagen schaufelte ich förmlich alles in mich hinein, was ich nur finden konnte, und fühlte mich danach schrecklich schuldig. Als ich meine Essattacken noch einigermaßen kontrollieren konnte, nannte ich sie einfach „Cheat Days“ – wieder ein trendiger Fitnessbegriff, um die eigene Essstörung nett zu verpacken. Als ich das Gefühl hatte, die Kontrolle zu verlieren, versuchte ich das Ganze „auszugleichen“, indem ich noch mehr Sport trieb und noch häufiger „Fastentage“ einlegte.

In der Form meines Lebens

Mit zwei Workouts pro Tag, einem „Fastentag“ und mindestens einem „Binge“ pro Woche war ich in der Form meines Lebens. Und trotzdem fühlte ich mich nicht so toll, wie ich mir erhofft hatte.

Ich ging nicht auf Partys, weil ich nicht in die „Versuchung“ kommen wollte, „verbotene“ Nahrungsmittel zu essen. Ich ging nicht auf Dates, weil der Gedanke, nach 6 Uhr abends eine komplette Mahlzeit zu essen, für mich noch abschreckender war als die Vorstellung, allein zu sterben. Ich fuhr nicht in Urlaub, weil ich meine Workout-Routine „nicht unterbrechen konnte“.

Ich war einsam, deprimiert und zunehmend krank. Meine Periode blieb aus. Ich war dauerhaft müde und ausgelaugt von meinem übermäßigen Trainingsprogramm, oder träge und lustlos vom übermäßigen Essen. Mit all meiner „Disziplin“ war ich endlich an dem Punkt angekommen, an dem ich immer sein wollte. Nur dass sich herausstellte, dass das der schlimmste Ort auf Erden war.

Fortsetzung folgt…

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