Yoga-Lehrer:innen sind auch nur Menschen

Über (In-)Authentizität, Menschsein & unsere Verantwortung auf Social Media

Gestern bin ich aufgewacht und war gestresst. Es ist nichts passiert, ich habe nicht schlecht geschlafen, es stand keine besondere Herausforderung bevor. Ich war einfach so gestresst, scheinbar grundlos. Überfordert mit dem Leben an sich, dem ständigen Hin und Her, Auf und Ab, den Terminen und Verpflichtungen, die ich mir eh alle selbst ausgesucht habe. Völlig unverständlich also, aber trotzdem sehr real. Ich hatte schon vor dem Aufstehen das Gefühl, einen Schritt hinterher zu hinken und konnte diesen scheinbaren Rückstand den ganzen Tag nicht aufholen. Bis zum Abend hin bin ich scheinbar gelaufen, ohne wirklich irgendwo hinzukommen.

Es gibt solche Tage. Immer wieder. Auch für mich als Yogini, Coachin, Mentaltrainerin. Denn über all diesen Rollen steht die Tatsache, dass ich halt auch nur ein Mensch bin.

Ein bisschen „Real Talk“ aus meinem Leben

Manchmal mag ich in der Früh nicht aufstehen. Manchmal fühle ich mich frustriert, überfordert, gestresst, bin einfach so schlecht gelaunt, grantig, ungeduldig, unruhig. Manchmal hinterfrage ich an solchen Tagen alles, was ich tue und bin. Zweifel klopfen an die Tür meines Verstandes – ich mache bereitwillig auf und gebe ihnen all den Raum, den sie einnehmen wollen. Und das ist ziemlich viel. Da bleibt dann nicht mehr viel Platz für positives Denken oder den Blick aufs große Ganze.

Machmal treiben mich die Zweifel so weit, dass ich das Handtuch werfen will. „Wieso kann ich nicht einfach ein ’normales‘ Leben führen?“, frage ich mich dann. Mit fixem Job und Einkommen, bezahltem Urlaub und geregelten Arbeitszeiten. Ein bisschen Sicherheit, auch wenn sie nur geborgt ist…

Machmal fühle ich mich in einem enormen Zwiespalt. Gefangen zwischen zwei Welten und in keiner davon so richtig zu Hause.

Auch das ist Teil meines Lebens. Auch das darf sein. Auch das möchte ich teilen, weil ich es wichtig finde, dass wir uns vor Augen halten: Es kann und muss nicht immer alles easy-peasy happy-pappy sein. Das kann in der gefilterten Scheinrealität manchmal in Vergessenheit geraten. Aber das Leben besteht nun mal nicht aus Pixeln, die wir nach Belieben her- und wegwischen können.

Zwischen Schein & Sein in der Yoga-Welt

Vor allem in der Welt von Yoga, Spiritualität und Persönlichkeitsentwicklung entsteht manchmal der Schein, dass wir als Praktizierende und Lehrende unser Leben immer voll im Griff haben, jeden Morgen um 05:30 Uhr top motiviert und voller Energie mit einem Lächeln im Gesicht aus dem Bett springen und es kaum erwarten können, unser endloses Licht in die Welt zu tragen. An manchen Tagen ist das tatsächlich so. An manchen aber auch absolut nicht.

Manchmal habe ich absolut keinen Bock, eine Yoga-Stunde zu halten oder zu einer meiner Veranstaltungen zu fahren. Manchmal will ich einfach mal einen Abend gemütlich zu Hause auf der Couch verbringen – und dabei auch kein schlaues Buch lesen oder tiefsinnige Gespräche mit meinem Partner führen, sondern mich einfach nur von irgendeiner seichten Netflix-Serie berieseln lassen. Und manchmal verurteile ich mich dafür, weil auch so manchen unrealistischen Anspruch in mir trage.

Luftsprünge oder der Boden der Tatsachen? In meiner Welt gibt’s beides.

Instagram vs. Reality – ist Social Media schuld?

Woher kommen diese unrealistischen Ansprüche denn? „Social Media“, ist oft die schnelle, reflexartige Antwort. Oder „die Medien“ ganz allgemein. Naja… Social Media ist ein Werkzeug. Wofür, auf welche Art und wie intensiv wir es nutzen, steht uns grundsätzlich frei. „Die Medien“ bringen das, was wir sehen wollen.

Der Content, den wir konsumieren, ist von Menschen gemacht. Von mir, von Dir, von uns.

Dieser Druck, den wir fühlen, immer gut gelaunt, top gestylt, super Zen zu sein – den kreieren wir uns zu einem großen Teil selbst. Indem wir vorgeben, diesen Idealen gerecht zu werden. Indem wir nur das teilen oder liken, was ihnen entspricht und sie somit mit jedem Post, mit jeder Story und jeder Reaktion verstärken.

Wir zeichnen selbst ein unrealistisches Bild von uns und unserem Leben und fühlen uns dann verpflichtet, dem gerecht zu werden. Auch, wenn unsere innere Realität gerade ganz anders aussieht. Bei genauer Betrachtung ist das ziemlich absurd. Und wir schaden dadurch nicht nur uns selbst, sondern auch einander. Denn da sind Menschen, die unsere inszenierte Realität sehen und glauben, dass sie echt ist. Womöglich verspüren sie dann (wenn auch nur unbewusst) denselben Druck, diesem Image gerecht zu werden und in weiterer Folge die selbe Frustration, wenn sie merken, dass das nicht klappt. So füttern wir ein System, das uns alle krank macht – ein System, aus dem wir als Yogi(ni)s vielleicht sogar behaupten, ausgestiegen zu sein. Ach, diese Ironie…

Namasté – and keep it real.

Ein Plädoyer fürs Echtsein

Langer Rede kurzer Sinn: Lasst uns mal wieder ein bisschen echter werden. Unsere Rollen und Masken ablegen und uns erlauben, einfach Menschen zu sein. Mit Launen und Zweifeln und Chaos und allem, was eben sonst noch so zu diesem wunderbaren Leben gehört.

Für alle meine Kolleg:innen, die Lehrer:innen, Coaches, Trainer:innen, Heiler:innen, etc. da draußen: Lasst uns unserer Verantwortung bewusst werden und damit aufhören, zu Marketingzwecken oder um unsere Egos zu füttern so zu tun, als wäre unser Leben nur Licht und Liebe. Lasst uns in unserer Arbeit, in unseren Leben und in unseren Social-Media-Auftritten so ehrlich und authentisch wie möglich sein. Lasst uns unseren Schüler:innen, Teilnehmer:innen und Kund:innen echte Begegnungen und Erfahrungen auf Augenhöhe ermöglichen und ihnen sowie auch uns den Raum geben, in all unserer Menschlichkeit zu sein, wie wir grad sind.

Für alle, die Kurse und Veranstaltungen im Bereich der Gesundheit, Spiritualität oder Persönlichkeitsentwicklung besuchen, mit Coaches o.Ä. arbeiten oder sich in Podcasts, Büchern oder Social Media mit diesen Themen beschäftigen: Behaltet Euch bitte im Bewusstsein, dass auch die inspirierendste, erfolgreichste Person der Welt nur ein Mensch ist und hin und wieder morgens aufwacht und sich einfach scheiße fühlt. Versucht, niemanden auf ein Podest zu stellen – dadurch entsteht immer das Risiko, sich unterlegen zu fühlen und das bist Du niemals! Und vermeide bitte aktiv, Dich mit anderen zu vergleichen. Erstens kennst Du mit großer Wahrscheinlichkeit immer nur einen Bruchteil der Realität der/des Anderen. Zweitens geht es niemals darum, jemanden nachzuahmen, sondern immer darum, Deine Einzigartigkeit und Dein individuelles Potential zu entfalten – und zwar so, wie es sich für Dich stimmig anfühlt und nich so, wie es Dir jemand vorschreiben (bzw. verkaufen) will.

In diesem Sinne, Namasté & keep it real. 💛

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